DIE CHRONIK DES SCHLOSSES WALDLEININGEN

Schlo Waldleiningen

Der Name Waldleiningen, so heit ein kleines Dorf, da Frst Carl Friedrich Wilhelm zu Leiningen (1724-1807) an der Stelle eines Hofes in einem versteckten Tal des Pflzerwaldes 1785 gegrndet hat. Nachdem der Frst Alleineigentmer dieses Gebietes geworden war, sollte die Ansiedlung von Waldarbeitern der besseren Erschlieung der groen Waldgebiete dienen. Daneben gab es ein Forstamt und auch ein kleines Jagdhaus. Das namengebende Haus Leiningen gilt als das bodenstndige Hochadelsgeschlecht im Raum der heutigen Pfalz. Wird sich auch kaum jemals eine Herleitung von dem im 8. Jahrhundert in der Mark Leiningen auftretenden Emichonen beweisen lassen, so reicht doch bis in das 11.Jahrhundert die belegbare Geschichte der Grafen von Leiningen mit den Leitnamen, d.i. der bevorzugte Vorname, Emich zurck. Als das Geschlecht mit dem Minnesnger Friedrich von Leiningen 1220 im Mannesstamme erlosch, nahm ein jngerer Sohn Friedrich der Erbtochter Lukardis, die mit dem Grafen Simon von Saarbrcken vermhlt war, Namen und Wappen seines Oheims an und begrndete so das bis heute blhende Haus Leiningen aus saarbrckischen Stamm. Im Laufe des 13.Jahrhunderts, als whrend einer Zeir darniederliegender Reichsgewalt alenthalben die Territorialstaaten entstanden, bautem sich die Grafen von Leiningen in ihrem Gebiet eine ausgedehnte Herrschaft auf. Durch Teilungen entstanden mehrere nebenlinien von unterschiedlicher Lebensdauer. Bis ins 18.Jahrhundert residierte die Hauptlinie auf der Hardenburg bei Drkheim und zuletzt dort selbst. 1779 wurde der regierende Graf Carl Friedrich Wilhelm von Kaiser Joseph II. in den Reichfrstenstand erhoben. Die frnzsiche Revolution und Ihre Folgeerscheinungen setzen der jahrhunderlangen leiningischen Herschaft in der Pfalz ein gewaltsames Ende. Nach Flucht und jahrelangem Umherwandern an befreundeten Hfen wurde 1803 das Frstliche Haus durch Gesetz des Regensburger Reichtages mit Besitztmern zwischen Main und Neckar entschdigt. Es lag nahe, da der Frst, als er daran ging, die tiefen Wlder des Odenwaldes nach modernen Gesichtspunkten nutzbar zu machen, fr die erste Neugrndung in den Enschdigungslanden auf den Namen seiner letzten Neusiedlung in der alten Haimat zurckgriff. Im abgelegensten Teil des Odenwaldes sollte ein groer wildpark eingerichtet werden, als dessen Herzstck ein frstliches Jagdhaus und ein Hofgut zur Bewirtschaftung des Parks geplant wurden. War so die Ausgangslage vergleichbar jener der gleichnamigen Siedlung in der Pfalz, so entstand im neuen Waldleiningen mit der Zeit in parkartiger Landschaft wundersam und mrchenhaft ein weitlufiges Residenzschlo.

Ein romatisches Fest

Als 1802 geht die Planung des Wildparks zurck, wobei zunchst als Standort an die Berge und Tler westlich von Amorbach gedacht war. 1808-1810 wurde schlielich im Steinichtal die frstliche Wohnung errichtet. Inzwischen hatte sich aber die politische Szenerie noch einmal verndert. 1806 war die Selbststndigkeit des Frstentums Leiningen verloren gegangen und das Gebiet des Wildparks wie der grte Teil des frstlichen Besitzes unter badischer Oberhoheit gekommen. Frst Carl Friedrich Wilhelm berlebte den Zusammenbruch seiner Landesherrlichkeit nicht lange. Sein Sohn und Nachfolger Frst Emich Karl (1763-1814), er ein leidenschaftlicher Jger und ein bedeutsamer Jagdschriftsteller war, lenkte seine Energie nun vornehmlich auf den Ausbau des Wildparkes, darin untersttzt von seiner jungen Gemahlin Victoria Marie Louise, einer geborenen Herzogin von Sachsen-Coburg-Saalfeld. An ihrem Geburtstag , dem 17.August beging man im Jahre 1810 festlich die Einweihung und Taufe auf den Namen Waldleiningen. Eine berlieferte Beschreibung gibt ein anschauliches Bild von diesem Frst der Romantik. Um 10 Uhr traf die Kutsche der Frstin, eskortiert von vier Forstmeistern, am Parktor ein. Dort erwartete sie hinter einer farbenprchtigen Ehrenpforte ein festlicher Zug: der frstliche Hof, die Beamtenschaft und die Hofkapelle, aller Handwerker, die am Bau beteiligt gewesen waren, die Schultheien von 20 Ortschaften, das frstliche Jagd- und Forstpersonal mit grnen Bruch am Hut und Eichenlaub am Rockaufschlag, die Tagelhner und -innen unter Anfhrung ihres Aufsehers und zahlreiche Neugierige. Ehrengste waren Graf Franz zu Erbach-Erbach und seine Gemahlin als die hohe Taufpaten. Nach gebhrender Begrung betrat der Zug paarweise die Allee zu dem neuen Wohnsitz. Am Hang des Steinichtales bot sich ein berraschendes Bild. Gotische Ruinengemuer mit Trmchen und Erkern, hinter dem sich die Wohnrume der frstlichen Familie verbargen, gruppierten sich mit Kavalierhusern, Jgersaal und Stallungen. Die Nebengebude, errichtet in Fachwerkbauweise und mit Strohdchern gedeckt, realisierten das Bild eines Odenwalddrfchens, so an die Schpfungen des sog. `Drfle im wrtenbergischen Hohenheim und letzlich das Hameau Marie Antoinettes im Versailler Park anknpfend. Im Unterbau eines Brunnes -er hat sich hinter dem Westflgels des heutigen Schlosses erhalten- schlo Graf Erbach die Grndungsurkunde ein. An einem daneben aufgestellten `Maienbaum befestigte er dann ein Tfelchen mit dem neuen Namen. Nun setzten sich die rund 250 Teilnehmer zur Tafel, die teils unter freien Himmerl, teils in Zelten gedekt war. Nach dem Mahl ordnete sich abermals unter Fhrung des Grafen Erbach der Festzug zum unteren Brunnen - er steht heute im Hof des Marstalls- an dem das Geweih des ersten im Park erlegten Hirsches befestigt wurde. Schtze war brigens eine Dame, die Frstin zu Isenburg gewesen. `Der Tag war anfangs regnerisch, hellte gegen 10 Uhr auf und verherrlichte das Fest, vomn dem alles erst bei einbrechender Nacht zurckkehrte, so endet der anonyme Chronist seinen bericht ber ein Einweihungsfest, das uns bei aller Idylle in der sozialen Zusammensetzung des Teilnehmerkreises modern erscheint.

Bauherrn und Ausfhrende

Den Schauplatz dieses Ereignisses kennen wir aus einer Zeichnung von 1813. An seiner Verwirklichung beteiligte sich der allen Musischen zugetane Frst Emich Karl zu Leiningen mit eigenen Planentwrfen. Als Bauleiter wirkte Georg Foerster. Der aus Aschaffenburg 1805 in den Leiningenschen Forstdienst Eingetretene war seit 1807 oberster Baubeamter und entwarf als solcher um die gleiche zeit Plne fr den Marstall am Freihof in Amorbach. In Waldleiningen war auch die Wasserleitung sein Werk, die freislich bald Anla zu hufigen Querelen wurde. Der knstlerische atem gab aber - wie dann auch beim sptern Schlobau - vor allem Hofmaler Sebastian Eckhardt. Er schuf die Entwrfe und setzte sich auch, da es sich ja um eine gemalte Scheinarchitektur aus Holz und Pappe handelte, weitgehend selbst mit dem Pinsel in die Wirklichkeit um. Der 1782 in Walldrn in einer Malerfamilie Geborene diente dem frstlichem Haus von 1803 an bis zu seinem Tod im Jahr 1846 nicht nur als Maler und Innenarchitekt, sonder unterrichtete auch die frstlichen Kinder im Malen und Zeichnen. Zeitweise arbeitete er halbjhrlich als coburgischer Hofmaler. Ab 1812 wirkte als frstlicher Baumeister Friedrich Brenner. Sollte sein Sohn Karl spter ber 4 Jahrzente hin die Last des zweiten Waldleininger Bauestragen, so war es dem Vater aufgegeben, nach den frhen Tod des Frsten 1814 den Verfall der ersten, ohnehin kurzlebigen Anlage aufzuhalten. Zunchst hatte Brenner 1812 die ursprnglich getrennt stehenden Ruinen durch einen gotischen Saal und Turm nach Entwurf Eckhardts verbunden. 1821 mute er den Antrag stellen, entweder den Gebuden durch krftige Reperaturen aufzuhelfen oder man mte das Ganze nicht eine scheinbare, was sie vorstellen sollte, sondern eine vollkommene Ruine werden lassen. Nur zu bal erfllte sich seine Prognose, indem die Gebude 1827 mehr oder weniger einstrzten, nachdem bereits 1825 die Kavalierhuser auf Abbruch versteigert worden waren. 1828 begann dann der Bau des heutigen Schloes. Sein Bauherr Frst Carl Emmich zu Leiningen (1804-1856), war beim Tod seines vaters eben 10 Jahre alt gewesen und in seiner Erziehung hauptschlich von seiner Mutter und Vormnderin geprgt worden, die 1816 darber schrieb:`Wir haben bei der Sorge um die standesgeme Erziehung unserer Kinder auch ein vorzgliches Augenmerk auf die Kunsterziehung der selbigen gerichtet. Frst carl emich hatte nach der wiedervermhlung seiner Mutter mit dem Herzog Eduard von Kent einer Reihe von Jahren in England verbracht, zusammen mit der fr die Kunstbildung zustndigen Hofmaler. Auch spterhin weilte er hufig am Hofe seiner Halbschwester Victoria. Seine Mitgliedschaft in der Kammer der Reichsrte der Krone Bayerns, der er seit 1843 prsidierte, und sein politisches Engagement fr die deutsche einigung, 1848 in der Prsidentenschaft des ersten Reichsministeriums in Frankfurt gipfelnd, brachten den Frsten in Verbindung mit allen knstlerischen interessierten Kreisen seiner Zeit. In Waldleiningen bot sich dem begeisterungsfhigen und selbst mitreienden Temperament des jungen Frsten eine Aufgabe, die einen guten Teil seines Lebens ausfllen sollte. Ihre Bewtigung gegen widrigste Zeitumstnde lt ein beindruckendes Ma von Durchsetzungsvermgen deutlich werden, getreu dem Leiningenschen Wahlspruch Nec aspera terrent, zu deutsch Widerstnde schrecken mich nicht. Was der Bauherr und sein knstlerischer Berater an englischen und deutschen Hfen als Anregungen aufgenommen und verarbeitet hatten, setzte der Baumeister karl Brenner ins Werk. Er, der seine Ausbildung zum Architekten im klassizistischen Mnchen genossen hatte, scheint persnlich dem modernen Zug zur Gotik reserviert gegenbergestanden zu haben. Von Anfang an, als sein Vater Friedrich noch vielseitig beschftigt war, wurde dem Sohn das Waldleininger Bauwesen anvertraut. Der Frst wollte damit sein Lieblingswerk mit ungeteilter Aufmerksamkeit versorgt sehen. Brenners Aufgabe war offenbar berwiegend die eines Bauleiters. Erst nach dem Tod Eckhardts und dann besonders unter Frst Ernst scheint er eine selbstndigere Rolle gespielt zu haben. Karl Brenner starb 1864; sein Bildnis hngt im unteren Flur des Schlosses rechts vom Vestibl. Die bildhauerischen Arbeiten leisteten Mitglieder der Familie Berg. Am ersten Schlo wirkte noch Joseph Bonaventura, der 1797 aus Bamberg nach Amorbach zugezogen war, um die Ausstattung der Bibliothek zu vollenden. Er stellte sich nach 1803 in leiningenschen Diensten weitgehend auf den neumodischen gotischen Geschmack um. Fr den Neubau arbeitete dann Bonaventuras 1805 geborener Sohn Friedrich Karl, im wesentlichen Wappen und Monogramme des Bauherren. Dem damals besonders aktuellen Interesse fr die mittelalterische Vergangenheit der deutschen Nation folgend, lie Frst Carl auch alte Bauzier mitverwenden. Die schne Wappensteine am Fahnenturm stammen von dem 1836 abgebrochenen Schlo zu Rippberg. Es handelt sich um sehr qualittsvolle Arbeiten wohl des Junckerkreises aus dem Jahr 1594, wie von einem weiteren, inzwischen nach Amorbach verbrachten Relief, bekannt ist. Dargestellt sind die Wappen der Besitzer der Herrschaft Rippberg, nmlich der Herren von Drn, und des Dietrich Echter von Mespelbrunn und seiner Gemahlin Susanna Marschalkin von Pappenheim, diese sowohl einzeln wie als Ehewappen. Bei der Ausstattung un Mblierung der Rume setzte Eckhardt des Frsten Vorstellungen in Entwrfe um, die unter Brenners Aufsicht von einheimischen Handwerkern im weiteren Umkreis - Amorbach, Mudau, Kleinheubach, Freudberg - ausgefhrt wurden. Zahlreiche solche Skizzen haben sich in Amorbach erhalten und geben einen Einblick in den Waldleininger Schpfungsproze. Als Frst Carl zu Leiningen 1856 im Alter von 52 Jahren starb, war das Schlo bis auf die Kapelle und den heutigen Marstall vollendet. Dieser Aufgaben nahm sich Frst ernst zu Leiningen (1830 - 1904) an, dem Brenner bis zu seinem Tod im Jahr 1866 zur Hand ging. Dieser letzte Bauherr von Waldleiningen war zusammen mit seinem Bruder Eduard teilweise in Genf erzogen worden. Spter trat er auf Wunsch seines Vaters in die englische Marine ein, wo er bis zum Admiral aufstieg. Seit 1858 war Frst Ernst mit Prinzessin Marie von Baden vermhlt. Ihre Wappen schmcken zahlreiche Mbelstcke und geben so Zeugnis davon. da groe Teile der Ausstattung erst nach dem Tod des Frsten Carl Emich entstanden sind. Fr den Entwurf der Kapelle holte man den Nrnberger Heideloffschler Georg Hutzelmeier. Vom Hauptort des Altdeutschen kamen jetzt auch Mbelschreiner und ein Maler Winter sowie ein Bildhauer Fleischmann zur Dekoration der Kapelle und einer Reihe von Rumen. Mit dem Bau des Marstalls fand das schpferische Bauwesen von Waldleiningen in den Jahren 1872 -1873 einen Abschlu. Sein Entwerfer war Franz Brenner, der in der dritten Generation das leiningische Bauwesen leitete.

Das Bauwerk und seine Ausstattung

Nur lckenhaft gibt die berlieferung Auskunft ber das Werden des Schlosses, weil die Anordnung des Frsten und die Errterungen ber die Ausfhrungen zwischen Brenner und Eckhardt meist mndlich geschahen; doch zeichnen sich wichtige Etappen der Baugeschichte ab. 1828 - 1829 entstand als frstliches Jagdhaus der Kernbau mit den beiden Staffelgiebeln, Freitreppe und Stiegenhaus. Mehrere Darstellungen belegen diesen ersten Zustand und geben Auskunft ber eine erste Erweiterung bis zu den seitlichen Treppengiebeln, die unmittelbar nach der Fertigstellung des ersten Abschnitts beschlossen wurde. 1832 wurde der Fahnenturm, fester bestandteil jedes Schlosses dieser Zeit , ausgebaut. Er war wohl von Anfang an ber dem Treppenhaus vorgesehen. 1834 waren die Steinbrecher wieder am Werk und 1836 wurden Fundamente gegraben. Aber erst 1837-1839 konnte die seitlichen Flgel hochgezogen werden. Das ehemalige stliche Einfahrtstor trgt die Jahreszahl 1840. Im Jahr darauf wurde am Geburtstag des Frsten, dem 12. September, in Anwesendheit zahlreicher frstlicher Verwandter, die Bauweihe vollzogen, ohne da dieses Ereignis den Abschlu der Bauarbeiten bedeutet htte. Die Herzogin von Kent, die schon 1810 Mittelpunkt der Einweihung des ersten Schlosses gewesen war, kam eigens aus England angereist, um die feierliche Handlung vorzunehmen. 1843 besuchte Knig Ludwig I. von Bayern seinen Untermainkreis. In Begleitung des Bauherrn ritt er von Amorbach aus nach Waldleinigen, um das seiner Vollendung entgegengehende Schlo zu sehen. Der Knig zeigte sich beeindruckt von der im englischen gotischen Stil erbauten Anlage, die etwa drei Jahren fertig sein sollte, aber bereits so weit gediehen war, da man den hohen Gast zur Tafel bitten konnte. Gleichzeitig wurden die Erweiterungen des Wildparks und sein Ausbau zu einem vertrumten Naturpark betrieben. Damals wurde das Esemle geschaffen, das heute unter dem Begriff Waldleiningen verstanden wird. Im weiten Talkessel mit malerischen Baumgruppen erhebt sich ber sanft ansteigenden Wiesen eine Architekturlandschaft von eigenem Wuchs:Natursteinmauern von roten Sandstein mit architektonischen gerahmten Fenstern, Treppengiebel, Trmchen, Erker und Zinnen, darber ein vielfltig versprigendes Dach mit zahlreichen Gaupen, im Hintergrund der hohe Fahnenturm. So offenbart sich der weitlufige Gebudekomplex jedem Besucher, der zum ersten Mal die schmale und gewundene Zufahrtsstrae entlang kommt, als ein unerwartetes Denkmal der Romantik. Durch eine spitzbogige Toreinfahrt betritt man den gerumigen Innenhof, um den sich rckwrts kchentrakt und Kavaliersbau gruppieren. Die Folge verschiedenster Baukomplexe mit dem Gegensatz von Steil - und Flachdach bestimmt den Hof. Die Hauptschauseite richtet das Schlo zum Tal hin, reizvoll sind aber auch die Ostpartie mit einer zweiten, heute geschlossenen Toreinfahrt und die Ansicht von der Westseite her. Die Monogramme des Erbauers und seiner Gemahlin Marie, einer geborenen Grfin Klebelsberg, zieren den Bau mehrfach, besonders an den vieleckigen Erker der Ostfassade. Ihre Form ist typisch fr die Zeit und erscheint so auf den verschiedensten persnlichen Besitzstcken des Frsten. ber der westlichen Einfahrt prangt das Wappen des Bauherrn, umrahmt vom Hosenbandorden. Diese exklusive Auszeichnung hatte Knigin Victoria ihrem Halbbruder, entgegen der Ordensregel, nur Englnder aufzunehmen, verliehen. In der reichen und malerischen Tracht eines Ritters des Hosenbandordens ist der Frst deshalb auch auf dem groen Gemlde im oberen Flur gegenber dem Stiegenhaus dargestellt. Der Mittelbau des Schlosses wurde 1835 mit fnf Wappen geschmckt, die in gerafter Form eine Geschichte des Hauses Leiningen darstellen. ber dem Eingang sieht man ein kombiniertes Wappen mit den leiningenschen Adlern und dem saarbrckischen Lwen, Ursprung und Erneuerung des Hauses Leiningen verkrpernd. Seitlich davon erscheinen noch einmal die gleichen Wappenzeichen in getrennten Schildern. Der Dachsburger Lwe mit den flanderischen Lilienrad erinnert an die elsssische Grafschaft Dachsburg, die im frhen 13.Jh. durch Erbschaft an die Grafen von Leiningen fiel und seitdem einen Bestandteil ihres Namens bildete. Das Kreuz auf der anderen Seite steht schlielich fr die Herren von Aspremont in Lothringen, deren Besitz und Wappen 1466 durch Heirat an das grfliche Haus Leiningen kam. Der Ostflgel birgt eine Reihe von Salons mit getfelten Decken. Im Westflgel liegt das groe frstliche Arbeitszimmer mit franzsischemKamin. In den Hof hinein erstreckt sich die Kapelle, die in den 60er Jahren ausgestaltet wurde. Netzgewlbe im Tudorstil, Figuren, Wappenfriese und ein freistehender, sehr filigran wirkender Altar bilden ihren eleganten Schmuck. In den Salons und auf den Figuren haben sich zahlreiche Mbel aus der Erbauungszeit erhalten, darunter sehr orginelle Umsetzungen von Empiremodellen in der Formensprache der Neugotik. Den Hauptschmuck aber bestreiten meist groformatige Bilder, namentlich Potraits, die auf das frstliche Haus und sein Verhltnis zum europischen Haus und sein verhltnis zum europischen Hochadel am 19.Jhdt. abgestimmt sind. Hier waren wohl die englischen Knigsschlsser mit ihren reprsentativen Familienbidnissen magebend gewesen. Im breiten Flur des oberen Geschoes trifft man auf lebensgroe Standbilder berhmter Mnner, spter Nachklang der uomini famosi der italienischen Renaissance. Dargestellt sind Kaiser Maximillian II., Ulrich von Hutten, Franz von Sickingen und Gtz von Berlichingen, Knig Gustav adolf von Schweden und Wallenstein. Der Betimmung als Jagdschlo entsprechen die zahlreichen Trophen auf den Gngen und im Treppenhaus. Bis vor wenigen Jahren wurde die Neugotik des 19.Jahrhunderts meist abschtzig betrachtet. Aber so wie zu Anfang unseres Jahrhunderts eine grundlegende Wandlung in der Einstellung zu dem bis dahin weitgehende Wandlung in der Einstellung zu dem bis dahin wietgehend abgelehnten Barockstil eintrat, so erfhrt heute die Baukunst des 19.Jahrhunderts mit zunehmenden Abstand eine neue, vorurteilsfreie Bewertung. Im gleichen Mae wie die wissenschaftliche Beschftigung mit dieser Zeitepoche zunimmt, wchst auch das Interesse der breiten ffentlichkeit. Historische Untersuchungen frderten das Verstndnis fr die geistigen Grundlagen und die Situation im zusammengebrochenen deutschen Reich, aus der heraus der sehnsuchtsvolle Rckgriff in die Vergangenheit oder das, was man dafr hielt, motiviert ist. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Literatur die Auseinandersetzung mit der Ansicht, Waldleiningen sei eine Nachbildung von Windsor Castle. So falsch die Behauptung in dieser zugespitzten Form ist, so sicher lt sich heute sagen, da englische Schlsser, wie auch an anderen Orten, nachhaltige Anregungen gegeben haben.

Das Leben in Waldleiningen

War das Schlo wie sein Vorgnger ursprnglich nur fr kurze Jagdaufenthalte gedacht, so nderte sich sein Charakter zu einem Wohn- und Residenzschlo mit der schrittweisen Erweiterung. Nichts kann diesen Wandel besser beleuchten als der Ablauf zweier hoher Besuche. 1843 machte Knig Ludwig I. von Bayern seinen bereits erwhnten Ausflug von Amorbach aus nach Waldleiningen, whrend 1871 der preuische Kronprinz Friedrich Wilhelm bei einem Aufenthalt in Waldleiningen Amorbach besuchte. In seinem letzten Lebensjahren hielt sich Frst Carl bevorzugt hier auf und ist auch in seinem geliebten Waldleiningen gestorbern. Da die Familiengruft unter der Kapelle erst in den 60er Jahren ausgebaut wurde, fand der Frst zunchst seine Ruhe in der Amorbacher Gruft und wurde erst 1866 nach Waldleiningen berfhrt, wo insgesamt acht Mitglieder des frstlichen Hauses beigesetzt sind. Frst Ernst, der dern grten Teil seines Lebens in England oder zur See verbachte, kam doch in jedem Jahr fr mehrere Monate hierher und mit ihm die bis zu 60 Personen umfassende frstliche Hofhaltung. Bis 1945 umgab das Schlo ein groer Wildpark. Das Wild kam vertraut bis zu den Wiesen in unmittelbarer Nhe des Schloes, was den Reiz dieser Landschaft sicher noch ungemein erhhte. Zugleich bot sich Gelegenheit, der ursprnglichen Bestimmungen des Schlosses entsprechend, sich dem Waidwerk zu widmen. Eine andere Welt hielt mit dem Aufkommen des Automobils 1907 Einzug. In den spten zwanziger und dreiiger Jahren benutzte Prinz Hermann zu Leiningen die kurvenreiche und steile Strae hinter dem Schlo fr bungsfahrten mit seinen Rennwagen. Der Prinz war als Bugatti- und Auto-Union-Fahrer mit 41 ersten Siegen einer der erfolgreichsten Rennfahrer dieser Zeit. An jene Jahre erinnern auch noch die Linden zwischen Schlo und Marstall, die anllich der Geburt des jetzigen Frsten zu Leiningen und seiner Geschwister gepflanzt wurden.

Vom Lazarett zur Fachklinik

Gegen Ende des 2.Weltkrieges wurde das Schlo zum Lazarett umfunktioniert, womit eine ganz andere ra begann. Nach Kriegsende behielt man die medizinische Nutzung als Sanatorium bei. Das zunchst als Privatsanatorium gefhrte Haus wird seit 1961 von den Landesversicherunganstalten belegt. Die reine, gesunde Walfluft und die immer wieder bestaunte Ruhe des weltfernen Odenwaldtales bieten den von der Grostadt zermrbten Menschen unserer Zeit Erholung und Gesundung. Unter Wahrung des alten Einrichtungscharakters wurden die ntigen modernen Einrichtungen wie Aufzug, Bder und Liegehallen zugefgt. Im Marstall wurde ein Turnsaal eingerichtet, darum herum sind Pltze fr Sport und Spiel angelegt. 1970 entstand zwischen Marstall und Schlo ein modernes Bewegungsbad, 1971 kamen eine Wassertretanlage und ein Minigolfplatz dazu. Die gesteigerten Ansprche an Therape und Unterbringung fhrten 1974/75 zur Errischtung eines Neubaues. In intensiven Bemhungen ist es der Architektengruppe Schweitzer/Laage aus Braunschweig gelungen, eine Lsung zu finden, die den Anforderungen der neuen Nutzung wie dem besonderen Charakter des Ensemles Waldleiningen gerecht wird. Die Plazierung des Neubaues am Hang hinter dem Schlo wahrte fr dieses die Dominanz. Eine Brcke im Hof und der Treppen-/Fahrstuhl-Turm verbinden den winkelfrmigen Neubau mit dem Schlogebude, an dessen Sandsteinfassaden sich die Klinkerverkleidungen der Neubauten anpat. Neben den modernen Patientenzimmern wurden Rume fr Therapie ung Geselligkeit geschaffen, die auch in ihrer architektonischen Gestaltung hohen Erwartungen gerecht werden. Indem Stcke der Ausstattung in den Neubau eingebracht wurden, ergab sich auch darin ein bergang ohne krassen Stilbruch, wie auch auf die grtnerische Einbindung groer Wert gelegt wurde. Schlsser geben heute ihren Besitzern oft schwerwiegende Erhaltungsprobleme auf, besonders wenn sie weit abseits gelegen sind. Waldleiningen erwuchs aus diesem Nachteil die weithin anerkannte Stellung als psychosomatische Heil- und Kuranstalt. Friedrich Oswald