DIE CHRONIK DES SCHLOSSES WALDLEININGEN
Schlo Waldleiningen
Der Name Waldleiningen, so heit ein kleines Dorf, da Frst Carl Friedrich Wilhelm zu
Leiningen (1724-1807) an der Stelle eines Hofes in einem versteckten Tal des Pflzerwaldes
1785 gegrndet hat. Nachdem der Frst Alleineigentmer dieses Gebietes geworden war,
sollte die Ansiedlung von Waldarbeitern der besseren Erschlieung der groen Waldgebiete
dienen. Daneben gab es ein Forstamt und auch ein kleines Jagdhaus. Das namengebende
Haus Leiningen gilt als das bodenstndige Hochadelsgeschlecht im Raum der heutigen
Pfalz. Wird sich auch kaum jemals eine Herleitung von dem im 8. Jahrhundert in der
Mark Leiningen auftretenden Emichonen beweisen lassen, so reicht doch bis in das 11.Jahrhundert
die belegbare Geschichte der Grafen von Leiningen mit den Leitnamen, d.i. der bevorzugte
Vorname, Emich zurck. Als das Geschlecht mit dem Minnesnger Friedrich von Leiningen
1220 im Mannesstamme erlosch, nahm ein jngerer Sohn Friedrich der Erbtochter Lukardis,
die mit dem Grafen Simon von Saarbrcken vermhlt war, Namen und Wappen seines Oheims
an und begrndete so das bis heute blhende Haus Leiningen aus saarbrckischen Stamm.
Im Laufe des 13.Jahrhunderts, als whrend einer Zeir darniederliegender Reichsgewalt
alenthalben die Territorialstaaten entstanden, bautem sich die Grafen von Leiningen
in ihrem Gebiet eine ausgedehnte Herrschaft auf. Durch Teilungen entstanden mehrere
nebenlinien von unterschiedlicher Lebensdauer. Bis ins 18.Jahrhundert residierte die
Hauptlinie auf der Hardenburg bei Drkheim und zuletzt dort selbst. 1779 wurde der
regierende Graf Carl Friedrich Wilhelm von Kaiser Joseph II. in den Reichfrstenstand
erhoben. Die frnzsiche Revolution und Ihre Folgeerscheinungen setzen der jahrhunderlangen
leiningischen Herschaft in der Pfalz ein gewaltsames Ende. Nach Flucht und jahrelangem
Umherwandern an befreundeten Hfen wurde 1803 das Frstliche Haus durch Gesetz des Regensburger
Reichtages mit Besitztmern zwischen Main und Neckar entschdigt. Es lag nahe, da der
Frst, als er daran ging, die tiefen Wlder des Odenwaldes nach modernen Gesichtspunkten
nutzbar zu machen, fr die erste Neugrndung in den Enschdigungslanden auf den Namen
seiner letzten Neusiedlung in der alten Haimat zurckgriff. Im abgelegensten Teil des
Odenwaldes sollte ein groer wildpark eingerichtet werden, als dessen Herzstck ein
frstliches Jagdhaus und ein Hofgut zur Bewirtschaftung des Parks geplant wurden. War
so die Ausgangslage vergleichbar jener der gleichnamigen Siedlung in der Pfalz, so
entstand im neuen Waldleiningen mit der Zeit in parkartiger Landschaft wundersam und
mrchenhaft ein weitlufiges Residenzschlo.
Ein romatisches Fest
Als 1802 geht die Planung des Wildparks zurck, wobei zunchst als Standort an die Berge
und Tler westlich von Amorbach gedacht war. 1808-1810 wurde schlielich im Steinichtal
die frstliche Wohnung errichtet. Inzwischen hatte sich aber die politische Szenerie
noch einmal verndert. 1806 war die Selbststndigkeit des Frstentums Leiningen verloren
gegangen und das Gebiet des Wildparks wie der grte Teil des frstlichen Besitzes unter
badischer Oberhoheit gekommen. Frst Carl Friedrich Wilhelm berlebte den Zusammenbruch
seiner Landesherrlichkeit nicht lange. Sein Sohn und Nachfolger Frst Emich Karl (1763-1814),
er ein leidenschaftlicher Jger und ein bedeutsamer Jagdschriftsteller war, lenkte
seine Energie nun vornehmlich auf den Ausbau des Wildparkes, darin untersttzt von
seiner jungen Gemahlin Victoria Marie Louise, einer geborenen Herzogin von Sachsen-Coburg-Saalfeld.
An ihrem Geburtstag , dem 17.August beging man im Jahre 1810 festlich die Einweihung
und Taufe auf den Namen Waldleiningen. Eine berlieferte Beschreibung gibt ein anschauliches
Bild von diesem Frst der Romantik. Um 10 Uhr traf die Kutsche der Frstin, eskortiert
von vier Forstmeistern, am Parktor ein. Dort erwartete sie hinter einer farbenprchtigen
Ehrenpforte ein festlicher Zug: der frstliche Hof, die Beamtenschaft und die Hofkapelle,
aller Handwerker, die am Bau beteiligt gewesen waren, die Schultheien von 20 Ortschaften,
das frstliche Jagd- und Forstpersonal mit grnen Bruch am Hut und Eichenlaub am Rockaufschlag,
die Tagelhner und -innen unter Anfhrung ihres Aufsehers und zahlreiche Neugierige.
Ehrengste waren Graf Franz zu Erbach-Erbach und seine Gemahlin als die hohe Taufpaten.
Nach gebhrender Begrung betrat der Zug paarweise die Allee zu dem neuen Wohnsitz.
Am Hang des Steinichtales bot sich ein berraschendes Bild. Gotische Ruinengemuer mit
Trmchen und Erkern, hinter dem sich die Wohnrume der frstlichen Familie verbargen,
gruppierten sich mit Kavalierhusern, Jgersaal und Stallungen. Die Nebengebude, errichtet
in Fachwerkbauweise und mit Strohdchern gedeckt, realisierten das Bild eines Odenwalddrfchens,
so an die Schpfungen des sog. `Drfle im wrtenbergischen Hohenheim und letzlich das
Hameau Marie Antoinettes im Versailler Park anknpfend. Im Unterbau eines Brunnes -er
hat sich hinter dem Westflgels des heutigen Schlosses erhalten- schlo Graf Erbach
die Grndungsurkunde ein. An einem daneben aufgestellten `Maienbaum befestigte er dann
ein Tfelchen mit dem neuen Namen. Nun setzten sich die rund 250 Teilnehmer zur Tafel,
die teils unter freien Himmerl, teils in Zelten gedekt war. Nach dem Mahl ordnete
sich abermals unter Fhrung des Grafen Erbach der Festzug zum unteren Brunnen - er
steht heute im Hof des Marstalls- an dem das Geweih des ersten im Park erlegten Hirsches
befestigt wurde. Schtze war brigens eine Dame, die Frstin zu Isenburg gewesen. `Der
Tag war anfangs regnerisch, hellte gegen 10 Uhr auf und verherrlichte das Fest, vomn
dem alles erst bei einbrechender Nacht zurckkehrte, so endet der anonyme Chronist
seinen bericht ber ein Einweihungsfest, das uns bei aller Idylle in der sozialen Zusammensetzung
des Teilnehmerkreises modern erscheint.
Bauherrn und Ausfhrende
Den Schauplatz dieses Ereignisses kennen wir aus einer Zeichnung von 1813. An seiner
Verwirklichung beteiligte sich der allen Musischen zugetane Frst Emich Karl zu Leiningen
mit eigenen Planentwrfen. Als Bauleiter wirkte Georg Foerster. Der aus Aschaffenburg
1805 in den Leiningenschen Forstdienst Eingetretene war seit 1807 oberster Baubeamter
und entwarf als solcher um die gleiche zeit Plne fr den Marstall am Freihof in Amorbach.
In Waldleiningen war auch die Wasserleitung sein Werk, die freislich bald Anla zu
hufigen Querelen wurde. Der knstlerische atem gab aber - wie dann auch beim sptern
Schlobau - vor allem Hofmaler Sebastian Eckhardt. Er schuf die Entwrfe und setzte
sich auch, da es sich ja um eine gemalte Scheinarchitektur aus Holz und Pappe handelte,
weitgehend selbst mit dem Pinsel in die Wirklichkeit um. Der 1782 in Walldrn in einer
Malerfamilie Geborene diente dem frstlichem Haus von 1803 an bis zu seinem Tod im
Jahr 1846 nicht nur als Maler und Innenarchitekt, sonder unterrichtete auch die frstlichen
Kinder im Malen und Zeichnen. Zeitweise arbeitete er halbjhrlich als coburgischer
Hofmaler. Ab 1812 wirkte als frstlicher Baumeister Friedrich Brenner. Sollte sein
Sohn Karl spter ber 4 Jahrzente hin die Last des zweiten Waldleininger Bauestragen,
so war es dem Vater aufgegeben, nach den frhen Tod des Frsten 1814 den Verfall der
ersten, ohnehin kurzlebigen Anlage aufzuhalten. Zunchst hatte Brenner 1812 die ursprnglich
getrennt stehenden Ruinen durch einen gotischen Saal und Turm nach Entwurf Eckhardts
verbunden. 1821 mute er den Antrag stellen, entweder den Gebuden durch krftige Reperaturen
aufzuhelfen oder man mte das Ganze nicht eine scheinbare, was sie vorstellen sollte,
sondern eine vollkommene Ruine werden lassen. Nur zu bal erfllte sich seine Prognose,
indem die Gebude 1827 mehr oder weniger einstrzten, nachdem bereits 1825 die Kavalierhuser
auf Abbruch versteigert worden waren. 1828 begann dann der Bau des heutigen Schloes.
Sein Bauherr Frst Carl Emmich zu Leiningen (1804-1856), war beim Tod seines vaters
eben 10 Jahre alt gewesen und in seiner Erziehung hauptschlich von seiner Mutter und
Vormnderin geprgt worden, die 1816 darber schrieb:`Wir haben bei der Sorge um die
standesgeme Erziehung unserer Kinder auch ein vorzgliches Augenmerk auf die Kunsterziehung
der selbigen gerichtet. Frst carl emich hatte nach der wiedervermhlung seiner Mutter
mit dem Herzog Eduard von Kent einer Reihe von Jahren in England verbracht, zusammen
mit der fr die Kunstbildung zustndigen Hofmaler. Auch spterhin weilte er hufig am
Hofe seiner Halbschwester Victoria. Seine Mitgliedschaft in der Kammer der Reichsrte
der Krone Bayerns, der er seit 1843 prsidierte, und sein politisches Engagement fr
die deutsche einigung, 1848 in der Prsidentenschaft des ersten Reichsministeriums
in Frankfurt gipfelnd, brachten den Frsten in Verbindung mit allen knstlerischen interessierten
Kreisen seiner Zeit. In Waldleiningen bot sich dem begeisterungsfhigen und selbst
mitreienden Temperament des jungen Frsten eine Aufgabe, die einen guten Teil seines
Lebens ausfllen sollte. Ihre Bewtigung gegen widrigste Zeitumstnde lt ein beindruckendes
Ma von Durchsetzungsvermgen deutlich werden, getreu dem Leiningenschen Wahlspruch
Nec aspera terrent, zu deutsch Widerstnde schrecken mich nicht. Was der Bauherr und
sein knstlerischer Berater an englischen und deutschen Hfen als Anregungen aufgenommen
und verarbeitet hatten, setzte der Baumeister karl Brenner ins Werk. Er, der seine
Ausbildung zum Architekten im klassizistischen Mnchen genossen hatte, scheint persnlich
dem modernen Zug zur Gotik reserviert gegenbergestanden zu haben. Von Anfang an, als
sein Vater Friedrich noch vielseitig beschftigt war, wurde dem Sohn das Waldleininger
Bauwesen anvertraut. Der Frst wollte damit sein Lieblingswerk mit ungeteilter Aufmerksamkeit
versorgt sehen. Brenners Aufgabe war offenbar berwiegend die eines Bauleiters. Erst
nach dem Tod Eckhardts und dann besonders unter Frst Ernst scheint er eine selbstndigere
Rolle gespielt zu haben. Karl Brenner starb 1864; sein Bildnis hngt im unteren Flur
des Schlosses rechts vom Vestibl. Die bildhauerischen Arbeiten leisteten Mitglieder
der Familie Berg. Am ersten Schlo wirkte noch Joseph Bonaventura, der 1797 aus Bamberg
nach Amorbach zugezogen war, um die Ausstattung der Bibliothek zu vollenden. Er stellte
sich nach 1803 in leiningenschen Diensten weitgehend auf den neumodischen gotischen
Geschmack um. Fr den Neubau arbeitete dann Bonaventuras 1805 geborener Sohn Friedrich
Karl, im wesentlichen Wappen und Monogramme des Bauherren. Dem damals besonders aktuellen
Interesse fr die mittelalterische Vergangenheit der deutschen Nation folgend, lie
Frst Carl auch alte Bauzier mitverwenden. Die schne Wappensteine am Fahnenturm stammen
von dem 1836 abgebrochenen Schlo zu Rippberg. Es handelt sich um sehr qualittsvolle
Arbeiten wohl des Junckerkreises aus dem Jahr 1594, wie von einem weiteren, inzwischen
nach Amorbach verbrachten Relief, bekannt ist. Dargestellt sind die Wappen der Besitzer
der Herrschaft Rippberg, nmlich der Herren von Drn, und des Dietrich Echter von Mespelbrunn
und seiner Gemahlin Susanna Marschalkin von Pappenheim, diese sowohl einzeln wie als
Ehewappen. Bei der Ausstattung un Mblierung der Rume setzte Eckhardt des Frsten Vorstellungen
in Entwrfe um, die unter Brenners Aufsicht von einheimischen Handwerkern im weiteren
Umkreis - Amorbach, Mudau, Kleinheubach, Freudberg - ausgefhrt wurden. Zahlreiche
solche Skizzen haben sich in Amorbach erhalten und geben einen Einblick in den Waldleininger
Schpfungsproze. Als Frst Carl zu Leiningen 1856 im Alter von 52 Jahren starb, war
das Schlo bis auf die Kapelle und den heutigen Marstall vollendet. Dieser Aufgaben
nahm sich Frst ernst zu Leiningen (1830 - 1904) an, dem Brenner bis zu seinem Tod
im Jahr 1866 zur Hand ging. Dieser letzte Bauherr von Waldleiningen war zusammen mit
seinem Bruder Eduard teilweise in Genf erzogen worden. Spter trat er auf Wunsch seines
Vaters in die englische Marine ein, wo er bis zum Admiral aufstieg. Seit 1858 war
Frst Ernst mit Prinzessin Marie von Baden vermhlt. Ihre Wappen schmcken zahlreiche
Mbelstcke und geben so Zeugnis davon. da groe Teile der Ausstattung erst nach dem
Tod des Frsten Carl Emich entstanden sind. Fr den Entwurf der Kapelle holte man den
Nrnberger Heideloffschler Georg Hutzelmeier. Vom Hauptort des Altdeutschen kamen jetzt
auch Mbelschreiner und ein Maler Winter sowie ein Bildhauer Fleischmann zur Dekoration
der Kapelle und einer Reihe von Rumen. Mit dem Bau des Marstalls fand das schpferische
Bauwesen von Waldleiningen in den Jahren 1872 -1873 einen Abschlu. Sein Entwerfer
war Franz Brenner, der in der dritten Generation das leiningische Bauwesen leitete.
Das Bauwerk und seine Ausstattung
Nur lckenhaft gibt die berlieferung Auskunft ber das Werden des Schlosses, weil die
Anordnung des Frsten und die Errterungen ber die Ausfhrungen zwischen Brenner und
Eckhardt meist mndlich geschahen; doch zeichnen sich wichtige Etappen der Baugeschichte
ab. 1828 - 1829 entstand als frstliches Jagdhaus der Kernbau mit den beiden Staffelgiebeln,
Freitreppe und Stiegenhaus. Mehrere Darstellungen belegen diesen ersten Zustand und
geben Auskunft ber eine erste Erweiterung bis zu den seitlichen Treppengiebeln, die
unmittelbar nach der Fertigstellung des ersten Abschnitts beschlossen wurde. 1832
wurde der Fahnenturm, fester bestandteil jedes Schlosses dieser Zeit , ausgebaut.
Er war wohl von Anfang an ber dem Treppenhaus vorgesehen. 1834 waren die Steinbrecher
wieder am Werk und 1836 wurden Fundamente gegraben. Aber erst 1837-1839 konnte die
seitlichen Flgel hochgezogen werden. Das ehemalige stliche Einfahrtstor trgt die Jahreszahl
1840. Im Jahr darauf wurde am Geburtstag des Frsten, dem 12. September, in Anwesendheit
zahlreicher frstlicher Verwandter, die Bauweihe vollzogen, ohne da dieses Ereignis
den Abschlu der Bauarbeiten bedeutet htte. Die Herzogin von Kent, die schon 1810 Mittelpunkt
der Einweihung des ersten Schlosses gewesen war, kam eigens aus England angereist,
um die feierliche Handlung vorzunehmen. 1843 besuchte Knig Ludwig I. von Bayern seinen
Untermainkreis. In Begleitung des Bauherrn ritt er von Amorbach aus nach Waldleinigen,
um das seiner Vollendung entgegengehende Schlo zu sehen. Der Knig zeigte sich beeindruckt
von der im englischen gotischen Stil erbauten Anlage, die etwa drei Jahren fertig
sein sollte, aber bereits so weit gediehen war, da man den hohen Gast zur Tafel bitten
konnte. Gleichzeitig wurden die Erweiterungen des Wildparks und sein Ausbau zu einem
vertrumten Naturpark betrieben. Damals wurde das Esemle geschaffen, das heute unter
dem Begriff Waldleiningen verstanden wird. Im weiten Talkessel mit malerischen Baumgruppen
erhebt sich ber sanft ansteigenden Wiesen eine Architekturlandschaft von eigenem Wuchs:Natursteinmauern
von roten Sandstein mit architektonischen gerahmten Fenstern, Treppengiebel, Trmchen,
Erker und Zinnen, darber ein vielfltig versprigendes Dach mit zahlreichen Gaupen,
im Hintergrund der hohe Fahnenturm. So offenbart sich der weitlufige Gebudekomplex
jedem Besucher, der zum ersten Mal die schmale und gewundene Zufahrtsstrae entlang
kommt, als ein unerwartetes Denkmal der Romantik. Durch eine spitzbogige Toreinfahrt
betritt man den gerumigen Innenhof, um den sich rckwrts kchentrakt und Kavaliersbau
gruppieren. Die Folge verschiedenster Baukomplexe mit dem Gegensatz von Steil - und
Flachdach bestimmt den Hof. Die Hauptschauseite richtet das Schlo zum Tal hin, reizvoll
sind aber auch die Ostpartie mit einer zweiten, heute geschlossenen Toreinfahrt und
die Ansicht von der Westseite her. Die Monogramme des Erbauers und seiner Gemahlin
Marie, einer geborenen Grfin Klebelsberg, zieren den Bau mehrfach, besonders an den
vieleckigen Erker der Ostfassade. Ihre Form ist typisch fr die Zeit und erscheint
so auf den verschiedensten persnlichen Besitzstcken des Frsten. ber der westlichen
Einfahrt prangt das Wappen des Bauherrn, umrahmt vom Hosenbandorden. Diese exklusive
Auszeichnung hatte Knigin Victoria ihrem Halbbruder, entgegen der Ordensregel, nur
Englnder aufzunehmen, verliehen. In der reichen und malerischen Tracht eines Ritters
des Hosenbandordens ist der Frst deshalb auch auf dem groen Gemlde im oberen Flur
gegenber dem Stiegenhaus dargestellt. Der Mittelbau des Schlosses wurde 1835 mit fnf
Wappen geschmckt, die in gerafter Form eine Geschichte des Hauses Leiningen darstellen.
ber dem Eingang sieht man ein kombiniertes Wappen mit den leiningenschen Adlern und
dem saarbrckischen Lwen, Ursprung und Erneuerung des Hauses Leiningen verkrpernd.
Seitlich davon erscheinen noch einmal die gleichen Wappenzeichen in getrennten Schildern.
Der Dachsburger Lwe mit den flanderischen Lilienrad erinnert an die elsssische Grafschaft
Dachsburg, die im frhen 13.Jh. durch Erbschaft an die Grafen von Leiningen fiel und
seitdem einen Bestandteil ihres Namens bildete. Das Kreuz auf der anderen Seite steht
schlielich fr die Herren von Aspremont in Lothringen, deren Besitz und Wappen 1466
durch Heirat an das grfliche Haus Leiningen kam. Der Ostflgel birgt eine Reihe von
Salons mit getfelten Decken. Im Westflgel liegt das groe frstliche Arbeitszimmer mit
franzsischemKamin. In den Hof hinein erstreckt sich die Kapelle, die in den 60er Jahren
ausgestaltet wurde. Netzgewlbe im Tudorstil, Figuren, Wappenfriese und ein freistehender,
sehr filigran wirkender Altar bilden ihren eleganten Schmuck. In den Salons und auf
den Figuren haben sich zahlreiche Mbel aus der Erbauungszeit erhalten, darunter sehr
orginelle Umsetzungen von Empiremodellen in der Formensprache der Neugotik. Den Hauptschmuck
aber bestreiten meist groformatige Bilder, namentlich Potraits, die auf das frstliche
Haus und sein Verhltnis zum europischen Haus und sein verhltnis zum europischen Hochadel
am 19.Jhdt. abgestimmt sind. Hier waren wohl die englischen Knigsschlsser mit ihren
reprsentativen Familienbidnissen magebend gewesen. Im breiten Flur des oberen Geschoes
trifft man auf lebensgroe Standbilder berhmter Mnner, spter Nachklang der uomini famosi
der italienischen Renaissance. Dargestellt sind Kaiser Maximillian II., Ulrich von
Hutten, Franz von Sickingen und Gtz von Berlichingen, Knig Gustav adolf von Schweden
und Wallenstein. Der Betimmung als Jagdschlo entsprechen die zahlreichen Trophen auf
den Gngen und im Treppenhaus. Bis vor wenigen Jahren wurde die Neugotik des 19.Jahrhunderts
meist abschtzig betrachtet. Aber so wie zu Anfang unseres Jahrhunderts eine grundlegende
Wandlung in der Einstellung zu dem bis dahin weitgehende Wandlung in der Einstellung
zu dem bis dahin wietgehend abgelehnten Barockstil eintrat, so erfhrt heute die Baukunst
des 19.Jahrhunderts mit zunehmenden Abstand eine neue, vorurteilsfreie Bewertung.
Im gleichen Mae wie die wissenschaftliche Beschftigung mit dieser Zeitepoche zunimmt,
wchst auch das Interesse der breiten ffentlichkeit. Historische Untersuchungen frderten
das Verstndnis fr die geistigen Grundlagen und die Situation im zusammengebrochenen
deutschen Reich, aus der heraus der sehnsuchtsvolle Rckgriff in die Vergangenheit
oder das, was man dafr hielt, motiviert ist. Wie ein roter Faden zieht sich durch
die Literatur die Auseinandersetzung mit der Ansicht, Waldleiningen sei eine Nachbildung
von Windsor Castle. So falsch die Behauptung in dieser zugespitzten Form ist, so sicher
lt sich heute sagen, da englische Schlsser, wie auch an anderen Orten, nachhaltige
Anregungen gegeben haben.
Das Leben in Waldleiningen
War das Schlo wie sein Vorgnger ursprnglich nur fr kurze Jagdaufenthalte gedacht,
so nderte sich sein Charakter zu einem Wohn- und Residenzschlo mit der schrittweisen
Erweiterung. Nichts kann diesen Wandel besser beleuchten als der Ablauf zweier hoher
Besuche. 1843 machte Knig Ludwig I. von Bayern seinen bereits erwhnten Ausflug von
Amorbach aus nach Waldleiningen, whrend 1871 der preuische Kronprinz Friedrich Wilhelm
bei einem Aufenthalt in Waldleiningen Amorbach besuchte. In seinem letzten Lebensjahren
hielt sich Frst Carl bevorzugt hier auf und ist auch in seinem geliebten Waldleiningen
gestorbern. Da die Familiengruft unter der Kapelle erst in den 60er Jahren ausgebaut
wurde, fand der Frst zunchst seine Ruhe in der Amorbacher Gruft und wurde erst 1866
nach Waldleiningen berfhrt, wo insgesamt acht Mitglieder des frstlichen Hauses beigesetzt
sind. Frst Ernst, der dern grten Teil seines Lebens in England oder zur See verbachte,
kam doch in jedem Jahr fr mehrere Monate hierher und mit ihm die bis zu 60 Personen
umfassende frstliche Hofhaltung. Bis 1945 umgab das Schlo ein groer Wildpark. Das
Wild kam vertraut bis zu den Wiesen in unmittelbarer Nhe des Schloes, was den Reiz
dieser Landschaft sicher noch ungemein erhhte. Zugleich bot sich Gelegenheit, der
ursprnglichen Bestimmungen des Schlosses entsprechend, sich dem Waidwerk zu widmen.
Eine andere Welt hielt mit dem Aufkommen des Automobils 1907 Einzug. In den spten
zwanziger und dreiiger Jahren benutzte Prinz Hermann zu Leiningen die kurvenreiche
und steile Strae hinter dem Schlo fr bungsfahrten mit seinen Rennwagen. Der Prinz
war als Bugatti- und Auto-Union-Fahrer mit 41 ersten Siegen einer der erfolgreichsten
Rennfahrer dieser Zeit. An jene Jahre erinnern auch noch die Linden zwischen Schlo
und Marstall, die anllich der Geburt des jetzigen Frsten zu Leiningen und seiner Geschwister
gepflanzt wurden.
Vom Lazarett zur Fachklinik
Gegen Ende des 2.Weltkrieges wurde das Schlo zum Lazarett umfunktioniert, womit eine
ganz andere ra begann. Nach Kriegsende behielt man die medizinische Nutzung als Sanatorium
bei. Das zunchst als Privatsanatorium gefhrte Haus wird seit 1961 von den Landesversicherunganstalten
belegt. Die reine, gesunde Walfluft und die immer wieder bestaunte Ruhe des weltfernen
Odenwaldtales bieten den von der Grostadt zermrbten Menschen unserer Zeit Erholung
und Gesundung. Unter Wahrung des alten Einrichtungscharakters wurden die ntigen modernen
Einrichtungen wie Aufzug, Bder und Liegehallen zugefgt. Im Marstall wurde ein Turnsaal
eingerichtet, darum herum sind Pltze fr Sport und Spiel angelegt. 1970 entstand zwischen
Marstall und Schlo ein modernes Bewegungsbad, 1971 kamen eine Wassertretanlage und
ein Minigolfplatz dazu. Die gesteigerten Ansprche an Therape und Unterbringung fhrten
1974/75 zur Errischtung eines Neubaues. In intensiven Bemhungen ist es der Architektengruppe
Schweitzer/Laage aus Braunschweig gelungen, eine Lsung zu finden, die den Anforderungen
der neuen Nutzung wie dem besonderen Charakter des Ensemles Waldleiningen gerecht
wird. Die Plazierung des Neubaues am Hang hinter dem Schlo wahrte fr dieses die Dominanz.
Eine Brcke im Hof und der Treppen-/Fahrstuhl-Turm verbinden den winkelfrmigen Neubau
mit dem Schlogebude, an dessen Sandsteinfassaden sich die Klinkerverkleidungen der
Neubauten anpat. Neben den modernen Patientenzimmern wurden Rume fr Therapie ung Geselligkeit
geschaffen, die auch in ihrer architektonischen Gestaltung hohen Erwartungen gerecht
werden. Indem Stcke der Ausstattung in den Neubau eingebracht wurden, ergab sich auch
darin ein bergang ohne krassen Stilbruch, wie auch auf die grtnerische Einbindung
groer Wert gelegt wurde. Schlsser geben heute ihren Besitzern oft schwerwiegende Erhaltungsprobleme
auf, besonders wenn sie weit abseits gelegen sind. Waldleiningen erwuchs aus diesem
Nachteil die weithin anerkannte Stellung als psychosomatische Heil- und Kuranstalt.
Friedrich Oswald