Abweichungen
Die früheren Regelungen über `Ausnahmen und Befreiungen` gibt
es in der neuen Bayer. Bauordnung nicht mehr. Jetzt existiert nur noch
der einheitliche Begriff `Abweichungen`. Im Bauplanungsrecht aber gibt
es nach wie vor Ausnahmen und Befreiungen, also z.B. wenn es um die Nichteinhaltung
von Festsetzungen eines Bebauungsplanes geht [s. `Ausnahmen` und `Befreiungen]`.
Die Bauaufsichtsbehörde kann Abweichungen von landesrechtlichen (=
bayer.) Bauvorchriften zulassen, wenn sie unter Würdigung nachbarlicher
Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind.Die früheren
Vorausetzungen für eine Befreiung, das Vorliegen einer "unbilligen
Härte" oder des "Wohls der Allgemeinheit", sind entfallen.
Dadurch ist eine Zulassung von Abweichungen gegenüber dem früheren
Recht einfacher geworden, vor allem ist die Neuregelung flexibler und ihr
Anwendungsbereich ist größer.Dennoch müßen Gründe
vorliegen, durch die sich das Bauvorhaben, für das eine Abweichung
zugelassen werden soll, von einem "Normalfall" unterscheidet.
Die häufigen Fälle für Abweichungen ergeben sich in der
Praxis beim Abstandsflächenrecht (s. Abstandsflächen) und bei
den Brandschutzbestimmungen.
Ein Beispiel: Ein schmales, aber bebaubares Grundstück. Wegen einer
Steilhanglage kann zu einer der beiden seitlichen Nachbargrenze, die erforderliche
Abstandsfläche nicht voll eingehalten werden. Der Nachbar ist einverstanden,
weil er ein breites Grundstück besitzt und sein Haus weit genug entfernt
steht. Eine Abstandsflächenübernahme, die hier zunächst
anzustreben wäre, scheidet aus, nachdem der Nachbar an der Grenze
bereits ein Nebengebäude stehen hat. In einem solchen Fall wird die
Bauaufsichtsbehörde das Bauvorhaben unter Zulassung einer Abweichung
genehmigen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, da? es hier keine "Patentrezepte"
gibt, denn es kommt beim Thema "Abweichungen" immer auf die Besonderheit
des Einzelfalls an.
Beim Brandschutz ist beispielsweise eine Abweichung erforderlich, wenn
die Behörde in einer Brandwand Glasbausteine oder Metallrahmenfenster
oder Fenster mit Hartholzrahmen zulassen will (s. "Brandwände").
Abweichungen, die im Rahmen einer Baugenehmigung zugelassen werden, brauchen
nicht gesondert beantragt werden.
Ein eigener Antrag ist nur dann notwendig, wenn bei genhemigungsfreien
oder bei freigestellten Vorhaben von Bauvorschriften abgewichen werden
soll. In diesem Fall muß der Bauherr einen schriftliche Antrag mit
Lageplan und Bauzeichnungen bei der Bauaufsichtsbehörde einreichen.
Bauzeichnungen sind aber nur insoweit erforderlich, als der Grund und der
Umfang der Abweichung für die Behörde erkennbar sein muß.
Abweichungen von gemeindlichen Bauvorschriften (z.B. Gestaltungssatzung)
darf die Bauaufsichtsbehörde nur im Einvernehmen mit der Gemeinde
gewähren ( s.auch "Einvernehmen").
Akteneinsicht
Die Verfahrensbeteiligten haben ein Recht auf Akteneinsicht, soweit diese
erforderlich ist, um ihre rechtlichen Interessen wahrzunehmen. Das rechtliche
Interesse muß glaubhaft gemacht werden. Im baurechtlichen Verfahren
besteht es auf jeden Fall für den Bauherrn und die Nachbarn einschließlich
deren Vertreter (z.B. Rechtsanwalt). Die Akteneinsicht erfolgt grundsätzlich
bei der Bauaufsichtsbehörde. Auswertigen Rechtsvertretern werden die
Behördenakten auf deren Ersuchen zugesandt. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren
(s.Ordnungswidrigkeiten) haben der Betroffene und sein Rechtsvertreter
ein Recht auf Akteneinsicht.
Anbauverbot
Im Bereich von Bundes-, Staats- ,und Kreisstrassen [natürlich erst
recht an Bundesautobahnen, die es aber im Landkreis Rhön-Grabfeld
bislang noch nicht gibt] besteht ein Anbauverbot. Dieses gilt aber nur
ausserhalb der Ortsdurchfahrten an der sogenannten freien Strecke. Die
Tiefe der Anbauverbotszone beträgt bei Bundes- und Staatsstrassen
20 m und bei Kreisstrassen 15 m, gemessen bis zum befestigten Fahrbahnrand.
Das Anbauverbot bewirkt, dass innerhalb der genannten Tiefen keine baulichen
Anlagen errichtet werden dürfen.
Ausnahme von Anbauverbot können in begründeten Einzelfällen
gewährt werden, wenn sichergestellt ist, dass verkehrsmässige
Belange wie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, Sichtverhältnisse,
Ausbauabsichten, Strassenbaugestaltung und dgl. nicht beeinträchtigt
werden.
Bauvorhaben in einem Abstand von 40 m zu Bundes- und Staatsstrassen bzw.30
m zu Kreisstrassen dürfen nur im Einvernehmen [=Zustimmung] mit der
Strassenbaubehörde genehmigt werden. Dies gilt auch für Vorhaben
innerhalb der Ortsdurchfahrten. Als Strassenbaubehörde werden bei
Bundes - und Staatsstrassen das Strassenbauamt und bei Kreisstrassen die
Kreisstrassenbauverwaltung im Baugenehmigungsverfahren beteiligt.
Anfechtung
Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt [= die hoheitliche Tätigkeit
einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen
Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach aussen]. Auch eine Baueinstellungsverfügung,
eine Abbruchanordnung oder eine Denkmalerlaubnis ist ein Verwaltungsakt.
Verwaltungsakte können durch Rechtsmittel [Widerspruch, Anfechtungs-
oder Verpflichtungsklage] angefochten werden. Der Bauherr kann Widerspruch
einlegen, wenn die Baugenehmigung versagt oder nicht so erteilt wird, wie
er sie beantragt hat. Er kann auch nur einzelne Bedingungen oder Auflagen
angreifen. Näheres hierbei steht unter dem Begriff `Rechtsbehelfe`.
Rechtsmittel des Bauherrn sind in der Praxis selten, denn schliesslich
ist die Baugenehmigung ein vom Bauherrn gewollter, begünstigter Verwaltungsakt.
Häufiger sind Rechtsmittel von Nachbarn, die mit der erteilten Baugenehmigung
nicht einverstanden sind und deshalb die Bauvorlagen nicht unterschrieben
haben. Hierzu wird auf den Begriff `Nachbarbeteiligung` hingewiesen.
Anordnungen
Die Bauaufsichtsbehörden haben die Befugnis, unter bestimmten Voraussetzungen
sogar die Verpflichtung, im Rahmen ihrer Aufgaben zur Einhaltung der öffentlich-rechtlichen
Vorschriften Anordnungen zu erlassen. Die häufigsten Fälle sind
Anordnungen bei einsturzgefährteten baulichen Anlagen [s`.Baufälligkeit`],
bei der Durchführung widerrechtlicher Bauarbeiten[s.`Baueinstellung`]und
Beseitigungsanordnung zur Herstellung baurechtmässiger Zustände
[s.`Baubeseitigung`]. Beim Erlass solcher Anordnungen handeln die Bauaufsichtsbehörden
grundsätzlich im pflichtgemässen Ermessen. In manchen Fällen
ist das öffentliche Interesse am Erlass einer Anordnung so gross,
dass die Anordnung erlassen werden muss, weil mur dann ein richtiger Ermessensgebrauch
vorliegt. Dies trifft regelmässig auch dann zu, wenn in berechtigte
Interessen eines Nachbarn eingegriffen wird. Man sagt in derartigen Fällen,
das Ermessen reduziert sich auf Null, d.h., die Bauaufsichtsbehörde
muss einschreiten. So muss beispielsweise eine Baueinstellung erfolgen,
wenn ein nachbarlicher Rechtsbehelf [s.`Rechtsbehelfe`] eingelegt wird
und dieser aufschiebende Wirkung hat [s.auch `Sofortige Vollziehung`].
Antennen
Die Errichtung oder Änderung von Antennen [einschliesslich der Masten]ist
bis zu einer Höhe von 10 m genehmigungsfrei. Nachdem sie das Orts-,
Strassen- oder Landschaftsbild nicht beeinträchtigen dürfen,
sollten sie möglichst unter dem Dach angebracht werden.
Parabolantennen bedürfen ebenfalls keiner Baugenehmigung ohne Rücksicht
auf die Grösse der Reflektorschale. Wenn möglich sollten sie
aber wegen ihrer Form und Grösse an einem nicht störenden Standort[Hausrückseite,
Hof- oder Gartenbereich] aufgestellt bzw. angebracht werden. Parabolantennen
können auch ohne Minderung der Empfangsqualität am Boden [ebenerdig]
errichtet werden.
Parabolantennen an oder auf Baudenkmälern und innerhalb eines Esembles
[s`Esenble`] bedürfen einer Erlaubnis der Unteren Denkmalschutzbehörde[Landratsamt].
Anzeigen
Hier unterscheidet man zwischen der Abbruchanzeige [s.dort], den Anzeigen
im Baugenehmigungs- und Freistellungsverfahren [s. Bauübewachung und
`Genehmigungsfreistellung`] und den Anzeigen bei Ordnungswidrigkeiten [s.dort].
Im Baugenehmigungsverfahren muss der Bauherr dem Bauamt folgende Anzeigen
vorlegen:
eine Woche vor dem Beginn der Bauarbeiten [Erdarbeiten] die Baubeginnsanzeige,
zwei Wochen vor Beendigung der Rohbauarbeiten die Anzeige der Rohbaufertigstellung
und die dazugehörige Kaminkehrerbescheinigung, zwei Wochen vor Fertigstellung
die Anzeige der abschliessenden Fertigstellung mit der dazugehörigen
Kaminkehrerbescheinigung und die Unternehmenserklärung der Heizungsfirma.
Bei gewerblichen Anlagen ist die abschliessende Fertigstellung auch dem
Gewerbeaufsichtsamt anzuzeigen.
Im Freistellungsverfahren und im vereinfachtem Genehmigungsverfahren sind
dem Bauamt nur die Baubeginnsanzeige und die Anzeige der abschliessenden
Fertigstellung sowie die Unternehmererklärung der Heizungsfirma vorzulegen.
Die Kaminkehrerbescheinigung muss der Bauherr einholen, aber nicht dem
Bauamt vorlegen.
Anzeigen bei baurechtlichen Verstössen erstatten die Polizei und die
zuständigen Bediensteten der Bauaufsichtsbehörde, in erster Linie
die Baukontrolleure [s.dort], von Amts wegen. Aber auch von Bürgern[meistens
Nachbarn] erfolgen Anzeigen, wenn jemand ohne die erforderliche Genehmigung
oder abweichend von den genehmigten Plänen baut. Auch den Gemeinden
obliegt die Meldung [Anzeige] von widerrechtlichen Bauarbeiten.
Bei begründeten Anzeigen leitete die Bauaufsichtsbehörde ein
Bussgeldverfahren ein [s.`Ornungswidrigkeiten`] und verfügt in aller
Regel die Einstellung der Bauarbeiten. Weitere mögliche Massnahmen
sind die Anforderung eines Bauantrages zur Prüfung der Genehmigungsfähigkeit
und später auch unter Umständen die Anordnung der Baubeseitigung
[s.dort], wenn eine nachträgliche Genehmigung nicht erteilt werden
kann.
January 2003